Ein Haus für die Gesundheit
Das Haus in der Sigmaringer Straße 1 ist ein typisches Verwal-tungsgebäude der Nachkriegszeit. Es erstreckt sich von der Sigmaringer über die Gasteiner bis zur Brandenburgischen Straße. Ab Oktober 1959 wurde es in einer T-Form mit Rasterfassade und zahlreichen Fenstern erbaut. Teile des Hauses ruhen scheinbar leichtfüßig auf Säulen.
Das Gebäude wurde für das Gesundheitsamt Wilmersdorf mit integrierter Stadtbücherei konzipiert. Damals wie heute grenzt es an eine Feuerwache. Zuvor war das Amt in einem unzureichenden Gebäude in der Berliner Straße 136/137 untergebracht.
Die Sigmaringer Straße 1 war seit 1894 Standort des alten Wilmersdorfer Rathauses. Im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt, wurde das Rathaus nach Kriegsende als Obdachlosenasyl genutzt und 1958 abgerissen.
Das zwanzig Meter hohe Gebäude besitzt fünf Geschosse. Ebenerdig war der Eingang zur Stadtbücherei. Im ersten Stock befanden sich ein großer öffentlicher Lesesaal und die Tuberkulose (TBC)-Fürsorgestelle des Gesundheitsamtes. Erkrankte kamen hierher zum Röntgen, zur Blutabnahme und zur Arzt-Sprechstunde. Das zweite Stockwerk teilten sich die Jugendbücherei, eine Buchbinderei, die Schulzahnklinik und Behandlungszimmer der TBC-Fürsorgestelle. Der gesamte dritte Stock war dem Gesundheitsamt vorbehalten mit Ärzten, Schirmbildstelle (Röntgen), Desinfektion, Blindenschreibzimmer, Zentrallabor, Essräumen und orthopädischer Fürsorgestelle mit Turnsaal.
Im vierten Stock arbeiteten Ärzte und ein Stadtrat. In weiteren Räumen befanden sich das Veterinäramt, die Mütterberatung sowie die Orts- und Lebensmittelhygiene, zu der das Seuchenreferat gehörte. Im obersten Stock waren die Räume der Bücherei, ein Vortragssaal sowie Räume für Akten, Karteien und Archiv untergebracht.
1997 erhielt die Stadtteilbibliothek im Haus den Namen Dietrich Bonhoeffer. Nach der Bezirksfusion von Charlottenburg und Wilmersdorf im Jahr 2001 wurden die beiden Gesundheitsämter
zusammengelegt. Für das vergrößerte Amt war ein neues Haus mit mehr Räumen vonnöten, die sich am Hohenzollerndamm 177 neben dem Rathaus Wilmersdorf fanden. Mit dem Umzug des
Gesundheitsamtes wurde das Haus in der Sigmaringer Straße 1 frei. Im Jahr 2005 übernahm die Gesellschaft für Stadtentwicklung GSE das Gebäude. Im selben Jahr eröffneten in den Räumen
Firmengründerinnen das Unternehmerinnen- und Gründerinnenzentrum Charlottenburg-Wilmersdorf (UCW). 2006 zogen die ersten 23 Künstlerinnen und Künstler in das Atelierhaus „Sigmaringer 1art“ in der
4. und 5. Etage des Gebäudes ein.
Recherche und Text: Karolin Steinke